Teilung und Alltag

Mit dem Mauerbau 1961 war die Teilung Berlins, wie sie sich in den Nachkriegsjahren in den östlichen und westlichen Besatzungszonen und mit den Staatsgründungen abgezeichnet hatte, in Beton gegossen worden. Über Nacht wurden die Bewohner/innen der Stadt von ihren Familien und Freunden getrennt, persönliche Kontakte auf Jahre erschwert oder gar unmöglich gemacht. 156,4 km steinerne Grenzanlage trennten Berlin fortan von seinem Umland, 43,7 km davon durchzogen das Stadtgebiet.
Um eine militärische Konfrontation mit der Sowjetunion zu vermeiden, hatten die westlichen Alliierten zurückhaltend auf den 13. August 1961 reagiert. Große Enttäuschung herrschte darüber bei den Westberliner/innen. Der Regierende Bürgermeister Willy Brandt ergriff die Initiative zur Erleichterung der Situation. Das erste von vier Passierscheinabkommen ermöglichte den Westberliner/innen Weihnachten 1963 erstmals den Besuch in Ost-Berlin.
Die schrittweise Annäherung und langsame Durchlöcherung der Mauer durch „menschliche Erleichterungen“ führte Brandt als Bundeskanzler mit der neuen Ostpolitik fort. Im Berlin-Abkommen von 1971 wurde die Bindung West-Berlins an die Bundesrepublik von der Sowjetunion und den drei Westalliierten anerkannt. Außerdem wurden die ungehinderte Zufahrt sowie verbesserte Reise- und Besuchsbedingungen festgeschrieben. Damit war der Rahmen gesetzt, in dem in der Mauerstadt und im Alltagsleben der Berliner/innen eine gewisse Normalisierung Einzug hielt.

Ingrid Stahmer, 1981-1989 Sozialstadträtin und stellvertretende Bezirksbürgermeisterin in Charlottenburg & Werner Salomon, 1979-1992 Bezirksbürgermeister in Spandau & Anna Damrat, seit 1979 bei der ASF aktiv und 1989-1999 MdA

In einem langen Gewöhnungsprozess mussten die Westberliner/innen sich mit der Mauer arrangieren. Trotz der Ernüchterung, die die zurückhaltende Politik beim Mauerbau noch hervorgerufen hatte, wussten sie die Westalliierten an ihrer Seite. Die enge Bindung – politisch, juristisch und wirtschaftlich – an die Bundesrepublik gehörte zu ihrem Selbstverständnis und zur Überlebensstrategie. Nicht zuletzt hielten kräftige Finanzspritzen, wozu die so genannte „Berlinzulage“ gehörte, die Wirtschaft der Inselstadt aufrecht.

Ingrid Stahmer, 1981-1989 Sozialstadträtin und stellvertretende Bezirksbürgermeisterin in Charlottenburg & Werner Salomon, 1979-1992 Bezirksbürgermeister in Spandau

Die Ostberliner/innen wurden durch den Todesstreifen von der Grenze ferngehalten. In West-Berlin war die Mauer durch Graffiti ins Stadtbild integriert, verlor aber nicht ihre mahnende Wirkung. Die Reise- und Besucherzahlen nach Ost-Berlin, aber auch die nach West-Berlin nahmen in den 1980er Jahren stetig zu. Trotz immer neuer Hürden, wie schikanierende Grenzkontrollen und der wiederholten Erhöhung der vorgegebenen Umtauschsätze, blieben Familien- und Freundeskontakte intakt und wurden neue geknüpft. Mit den – getrennten – Feierlichkeiten zum 750-jährigen Jubiläum der Stadtgründung stand Berlin erneut im Fokus der Weltöffentlichkeit. Die Stadt zeigte ein gewachsenen Selbstbewusstsein und ging mit den Realitäten offensiv um, ohne sie als endgültige anzuerkennen.
Neue Impulse bekamen die deutsch-deutschen Kontakte durch Glasnost und Perestroika. Das DDR-Regime weigerte sich lange, Michael Gorbatschow auf seinem Weg der Reformen zu folgen. Die revolutionären Energien im Volke aber konnte es nicht mehr kontrollieren, die schließlich am 9. November 1989 den Fall der Mauer erzwangen.

Die Frage der Wiedervereinigung
1989: Der rot-grüne Senat / "Das Feminat"
Teilung und Alltag
Migrationspolitik in Berlin
1968: Höhepunkt der Flügelkämpfe
Mauerbau
1958: Der Wechsel an der Spitze von Franz Neumann zu Willy Brandt
Die Falken
1945-1961: Die SPD in Ostberlin
1946: "Zwangsvereinigung" und Urabstimmung
1945: Wiedergründung der SPD