Die Vorläufer des Jugendverbandes „Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken“ entstanden parallel mit zahlreichen anderen Vorfeldorganisationen im Umfeld der SPD zu Beginn des 20. Jahrhunderts. 1904 schlossen sich in Berlin und Mannheim die ersten sozialistischen Lehrlings- und Jugendgruppen zusammen. In der Hochzeit der Selbstorganisation der Arbeiterschaft während der Weimarer Republik gründeten sich die „Sozialistische Arbeiterjugend“ (SAJ) und die „Kinderfreunde“, deren Gruppen den Namen „Falken“ seit Ende der 1920er Jahre benutzten.
Als freie, aber der SPD nahe stehende Organisation für Kinder und Jugendliche boten die Falken Kindern aus Arbeiterfamilien nicht nur Freizeitgestaltung, sondern auch demokratische Erziehung und die Heranführung an politische und gesellschaftliche Themen. Bekannt und beliebt waren vor allem ihre großen Zeltlager, die „Kinderrepubliken“. An diese Tradition aus der Weimarer Zeit knüpften die nach 1945 wiedergegründeten Falken-Gruppen an. Seit der Verbandskonferenz in Heidelberg 1951 trägt die Organisation den Namen „Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken“.
Helmut Hampel, 1949 Mitglied der Falken in Friedrichshain
Nach Kriegsende gab es in allen vier Sektoren Berlins Jugendgruppen, die sich den Falken oder der FDJ zugehörig fühlten. Die Falken waren noch nicht wieder zugelassen, da wurde noch vor der „Zwangsvereinigung“ von KPD und SPD im März 1946 die „Freie Deutsche Jugend“ (FDJ) gegründet. Sie sollte fortan als SED-treue Organisation die Jugendarbeit in der SBZ und im Ostsektor Berlins bestimmen. Wie die SPD blieben die Falken in Ost-Berlin aber aufgrund des Viermächte-Status der Stadt bis 1961 trotz Verfolgung und Schikanen mit ihren Verbänden bestehen. Zwischen 1949 und 1956 traten sie allerdings nur selten in den Ostbezirken öffentlich auf und trafen sich meist im Westteil der Stadt.
Mit der zaghaften Entstalinisierung in der DDR starteten die Falken unter ihrem Landesvorsitzenden Harry Ristock 1956 eine neue und durchaus erfolgreiche Offensive in Ost-Berlin, argwöhnisch beobachtet von SED und Stasi. Die Haltung zur deutschen Frage, die unter dem Motto „Durch Ulbricht und Adenauer keine Wiedervereinigung“ einen dritten Weg suchte, provozierte aber auch Auseinandersetzungen mit der traditionellen „Mutterpartei“ SPD. In der Diskussion um Westbindung und Wiederbewaffnung entwickelten die Falken auch als spätere SPD-Mitglieder ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl.
Nils Diederich, 1946-1961 Mitglied der Falken in Zehlendorf
Dieser Zusammenhalt wurde von Kindheit an mit den traditionellen Zeltlagern geschaffen. Im Jugendalter spielten bei der politischen Erziehung Einrichtungen wie zum Beispiel das Falkenoberseminar eine wichtige Rolle.
Norbert Meisner, trat 1963 in die SPD ein und wurde 1965 von Harry Ristock ins Falkenoberseminar geholt
Die Friedenspolitik der Berliner Falken unter Harry Ristock brachte die regelmäßigen, bis heute praktizierten Gedenkstättenfahrten hervor. Seit 1959 besuchten große Gruppen ehemalige Konzentrationslager zunächst in Polen, später in der CSSR. Auf diesen Fahrten wurde auch immer das Gespräch mit den dortigen Jugendorganisationen gesucht. Viele Berliner Sozialdemokrat/innen sahen darin die Gefahr einer Vereinnahmung. Zu den starken Reibungen zwischen Falken und SPD, die die traditionellen Bindungen in den 1960er Jahren spürbar lockerten, trug die Nähe der Falken zur Außerparlamentarischen Opposition (APO) und zum Sozialistischen Studentenbund (SDS) bei. Das Verhältnis war zeitweise so angespannt, dass Micky Beinert, der 1965 mit trotzkistischer Sozialisierung aus Köln nach Berlin kam und hier Bildungssekretär bei den Falken wurde, Hausverbot beim SPD-Landesverband im Kurt-Schumacher-Haus erhielt und sich gesondert Büroräume mieten musste.
Das Aufkommen vieler neuer, freier agierender politischer Zusammenschlüsse in der APO hatte einen Mitgliederschwund bei den Falken zur Folge, von dem sie sich seither nicht erholen konnten. Heute konzentriert sich die Arbeit der SJD – Die Falken stark auf die jungen Gruppen der Kinder. Eine wichtige Einrichtung zur Aufarbeitung der eigenen Geschichte wie auch der verwandter Bewegungen besteht seit 1973 mit dem Archiv der Arbeiterjugendbewegung im Salvador-Allende-Haus in Oer-Erkenschwick.
Siegfried Heimann: Die Falken in Berlin. Erziehungsgemeinschaft oder Kampforganisation? Die Jahre 1945-1950, Berlin 1990.
Rolf Lindemann, Werner Schultz: Die Falken in Berlin. Geschichte und Erinnerung, Jugendopposition in den 50er Jahren, hg. von Prof. Peter Weiß als Publikation des Franz-Neumann-Archivs, Berlin 1987.
Michael Schmidt: Die Falken in Berlin. Antifaschismus und Völkerverständigung - Jugendbegegnung durch Gedenkstättenfahrten, hg. von Prof. Peter Weiß als Publikation des Franz-Neumann-Archivs, Berlin, 1987.
Falco Werkentin (Hg.): Selbstbehauptung, Widerstand und Verfolgung: „Die sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken“ in Berlin 1945 bis 1961. Ausstellungskatalog, Berlin 2008.