1945 - 1961: Die SPD in Ostberlin

Mit dem Befehl Nr. 2 der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) vom 10. Juni 1945 konnte sich auch die SPD in Berlin wiedergründen und die politische Arbeit aufnehmen. Im Ostsektor der Stadt erfuhr allerdings die KPD besondere Unterstützung der SMAD und erhob deutliche Machtansprüche gegenüber allen anderen Parteien, was sich mit Gründung der SED weiter verstärkte. Anders als in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ), existierte die SPD nach dem 22. April 1946 (Vereinigung der KPD und SPD zur SED) und auch nach der Staatsgründung 1949 weiter – lizenziert durch die vier Besatzungsmächte.

Siegfried Heimann, Vorsitzender der Historischen Kommission beim Landesvorstand der SPD Berlin

Die Strukturen der SPD blieben bestehen und funktionstüchtig, wenn auch unter zunehmenden Repressionen. Durch die Zwangsvereinigung hatte sie einen empfindlichen Mitgliederrückgang verzeichnen müssen. Der wurde in den kommenden Monaten kompensiert und nahm von 9 641 Mitgliedern im Juni 1946 auf 15 019 im März 1947 in beeindruckender Weise zu. In den folgenden Jahren nahm die Mitgliederentwicklung aber anhaltend ab und betrug im Juni 1961 nur noch 5 327.

Helmut Hampel, trat 1953 in die SPD Friedrichshain ein (Vorsitzender war Kurt Neubauer)

Bei der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung am 20. Oktober 1946 konnte ein eindeutiger Wahlerfolg errungen werden: Die SPD lag in allen Bezirken, auch im Ostteil der Stadt als stärkste Partei vor der SED, teilweise mit 19 Prozentpunkten Vorsprung (im Bezirk Mitte), und stellte überall den Bezirksbürgermeister. In Gesamt-Berlin erhielt die SPD 48,7% und die SED 19,8%. Mit der voranschreitenden Spaltung der Verwaltung Groß-Berlins sowie mit der zunehmenden Stalinisierung der SED und der Gleichschaltung der CDU und LDPD im Ostsektor wurden dort die gewählten Volksvertreter/innen aber bis 1948 von der SED aus ihren Ämtern gedrängt, wie zum Beispiel die Bezirksbürgermeisterin von Prenzlauer Berg, Ella Kay.

Die Bedingungen nach der Spaltung der Verwaltung im Herbst 1948 erlaubten der Ost-Berliner SPD keine normale Parteiarbeit mehr. Beobachtung, verleumderische Propaganda, Maßregelungen, Festnahmen und offene Abwerbeversuche erschwerten die Arbeit maßgeblich und machten sie zu einem „Versteckspiel“ (Helmut Hampel). Man durfte sich nur innerparteilich betätigen und nicht öffentlich auftreten. Versammlungen mussten häufig in den so genannten Patenbezirken West-Berlins abgehalten werden. Die Zusammenkünfte dienten eher theoretischer als praktischer Arbeit. Häufig wurden Genoss/innen aus West-Berlin eingeladen. Willy Brandt etwa referierte vielfach in den östlichen Kreisverbänden.
Die Ost-Berliner Sozialdemokrat/innen entwickelten unter diesen Umständen eine große Kreativität z.B. im Transport von Parteizeitungen und Flugblättern aus der Parteizentrale in der Zietenstraße (Schöneberg) oder in subtilen öffentlichen Manifestationen: Das Büro des Lichtenberger Kreisverbandes etwa lag in der Gudrunstraße 10 direkt auf der Strecke der alljährlichen Liebknecht-Luxemburg-Gedenkdemonstration zum Friedhof der Sozialisten in Friedrichsfelde und setzte mit einem leuchtenden SPD-Logo im Fenster nicht nur zu diesem Anlass ein unübersehbares Zeichen, was zu „zufälligen“ Stromabschaltungen führte.

Helmut Hampel, 1953-1961 Mitglied SPD Friedrichshain

Die SPD in Berlin verstand sich als eine gemeinsame Partei aller Mitglieder im Ost- und in den Westsektoren der Stadt. Auch Ost-Berliner/innen nahmen Mandate im Abgeordnetenhaus und im Bundestag wahr. Mit dem Mauerbau am 13. August 1961 begann die Volkspolizei, SPD-Kreisbüros in Ost-Berlin willkürlich zu schließen. Ab dem 23. August war West-Berliner/innen der Besuch in Ost-Berlin nicht mehr möglich. Der SPD-Landesvorstand beschloss daraufhin am gleichen Tag, die Mitgliedschaft und die daraus resultierenden Pflichten der Ost-Berliner Mitglieder ruhen zu lassen. Nicht alle dortigen Mitglieder wollten das zunächst akzeptieren, fühlten sich „verraten und enttäuscht“ (Helmut Hampel). Es gab jedoch keine Möglichkeit mehr, ein gemeinsames Parteileben aufrecht zu erhalten.

 

Literaturtipps:

Manfred Rexin: Die SPD in Ost-Berlin 1946-1961, Heft 5 der Schriftenreihe des Franz-Neumann-Archivs, 2. erw. Aufl., Berlin 1989

Siegfried Heimann, Die SPD in Ostberlin 1945-1961, in: Die Parteien und Organisationen in der DDR. Ein Handbuch, Berlin 2002, S. 402 ff.

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